Mit der Marke international zu expandieren, ist für Unternehmen ein bedeutender Schritt. Dieser will gut überlegt und geplant sein. Der Markensoziologe Prof. Dr. Oliver Errichiello hat langjährige Erfahrung in der Markenberatung. Im Interview verrät er, worauf es bei der Internationalisierung einer Marke ankommt.
Zur Person
Prof. Dr. Oliver Errichiello, 1973 geboren, studierte Sozioökonomie und Psychologie in Hamburg und Lyon. Nach seinem Studium arbeitete er viele Jahre für das Institut für Markentechnik in Genf im Bereich Markenführung und Markenstrategie für weltweit agierende Unternehmen, anschließend in Werbeagenturen und Unternehmen als Stratege und Marketingleiter. 2006 gründete er das Forschungs- und Beratungsunternehmen Büro für Markenentwicklung in Hamburg, gleichzeitig leitet er das Innovationslabor der Deutschen Seereederei. 2018 wurde Errichiello auf die weltweit erste Professur für Markensoziologie durch die Hochschule Mittweida berufen und lehrt darüber hinaus an der Universität Hamburg, an der Hochschule Luzern und der EMBA Hamburg. Als »Der Markenprofessor« und »Konsumphilosoph« ist Prof. Dr. Oliver Errichiello regelmäßig unter anderem in ARD- und ZDF-Magazinen sowie im NDR zu Gast.
Ein Unternehmen möchte mit seiner Marke expandieren – was ist Ihr wichtigster Ratschlag für die Startphase?
Eine Marke ist mehr als ein Name und ein schickes Logo. Darüber muss sich jedes Unternehmen im Klaren sein – besonders wenn es einen neuen Markt betreten will. Denn: Die Erwartungshaltungen von Kunden oder Geschäftspartnern können im Ausland unter Umständen andere sein, als zu Hause und somit den Einstieg in den Markt erschweren.
Über mögliche Anpassungen von Name und Logo hinaus müssen Unternehmen es schaffen, ihre Marke mit sogenannten positiven Vorurteilen aufzuladen. Sie geben der Marke das gewünschte Image und potenziellen Kunden Orientierung. Damit Unternehmen mit ihren Produkten aus einem Umfeld vieler Informationen hervorstechen, brauchen sie eine starke Markenbiografie, quasi einen »genetischen Code«. Letzterer kann auf der Historie, dem Gründer des Unternehmens oder dem Alleinstellungsmerkmal des Produkts basieren. Diesen genetischen Code der Marke gilt es in der Startphase zu identifizieren und fortan bei allen Schritten der Internationalisierung zu berücksichtigen.
Wie beeinflusst das den Erfolg auf dem internationalen Markt?
Vertrauen ist hier ein Schlüsselbegriff. Eine Marke zu etablieren, braucht Zeit – erst recht auf einem internationalen Markt. Und Vertrauen kann nur entstehen, wenn eine Marke sich selbst treu bleibt. Schnell Aufmerksamkeit zu erregen, ist leicht, bedeutet aber noch lange nicht, dass ein Unternehmen auch erfolgreich ist. Wer es hingegen schafft, über alle Kanäle hinweg eine vertrauenswürdige und verlässliche Marke aufzubauen, kann international bestehen. Dabei gilt: Durchhalten, durchhalten, durchhalten! Gewohnheiten und Vertrauen kommen nicht über Nacht und Expandierende sollten sich nicht zu schnell infrage stellen und aufgeben.
Wie wichtig ist eine detaillierte Analyse des jeweiligen Marktes?
Eine Marktanalyse ist essenziell. Das Resultat darf aber nicht sein, dass Firmen ihre eigene Marke nur anpassen und den Markt widerspiegeln, denn dann werden diese Unternehmen nicht sichtbar. Die Marktanalyse soll dazu führen, dass Firmen für ihre Leistung oder ihr Produkt ein Marktbedürfnis in IHRER typischen Weise interpretieren, ohne dabei das aufzugeben, was ihre Marke ausmacht. Anpassen, aber authentisch bleiben. Ein gutes Beispiel ist James Bond: Die Roman- und Filmfigur wurde stets dem Zeitgeist – also dem aktuellen Markt – angepasst, ist dabei aber immer eine unverwechselbare Marke geblieben. Eben »typisch James Bond«.
Müssen Unternehmen eine neue Marke wählen, wenn ihr Markenname in anderen Ländern vergeben ist?
Falls andernfalls eine Markenrechtsverletzung vorliegt, müsste der Name geändert werden. Daher ist neben einer fundierten Markenrecherche auch das Hinzuziehen einer Rechtsberatung zu empfehlen. Bei der Internationalisierung einer Marke wäre zudem eine Namensänderung sinnvoll, wenn der Name negativ konnotiert ist.
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Und was ist, wenn ein Markenname regional funktioniert, international aber nicht?
Unternehmen befürchten häufig Nachteile, wenn ihr Markenname für die Menschen im anderen Land schwer auszusprechen ist. Ich denke, das Gegenteil ist der Fall. Das Unternehmen sticht dadurch hervor, es entsteht eine Unverwechselbarkeit und das schafft die erste Verbindung zum potenziellen Kunden. Wichtig ist jedoch eine Einheitlichkeit in der Markenarchitektur. So eine Stringenz erreicht man vor allem über die Domain, beispielsweise durch die jeweilige länderspezifische Domainendung.
Welche Fallen können bei der Wahl der Domain lauern?
Der Raum für Marken ist sehr groß. In Deutschland gab es allein im Jahr 2020 fast 90.000 Markenanmeldungen. Das zeigt, wie begehrt die Vorstellung von Marken ist. Es erschwert aber die Wahl der Domain, denn diese kann durch das Markenrecht geschützt sein. Vor der Registrierung einer Domain sollten Unternehmen deshalb prüfen, ob Gefahr besteht, ein Markenrecht zu verletzen. Wichtig: Nicht nur identische, sondern auch ähnlich lautende Namen in einer Branche oder sogenannte Tippfehler-Domains können markenrechtliche Folgen wie einen Unterlassungsanspruch oder eine Schadensersatzforderung nach sich ziehen.
Was sind die häufigsten Fehler, die bei der Internationalisierung einer Marke gemacht werden?
Viele Unternehmen haben bei ihrer Internationalisierung keinen ausreichend langen Atem. Das andere Land wartet in der Regel nicht sehnsüchtig darauf, dass ein neues Produkt auf den Markt kommt. Vertriebswege und Kundschaft müssen erst aufgebaut werden und es gilt, sich gegen Wettbewerber durchzusetzen – das alles braucht Zeit. Kurze Awareness-Erfolge gelingen meist schnell, aber wirkliche Wertschöpfungskraft benötigt – auch in digitalen Kanälen – Zeit.
Wichtig ist auch, sich Fehler einzugestehen und nicht sofort aufzugeben. Solche Fehler gehören zum Internationalisierungsprozess dazu und können helfen, den Markt noch besser kennenzulernen.
Zudem sollten Unternehmen nicht nur auf Kompetenzen aus dem eigenen Land setzen. Mitarbeiter und Freelancer des jeweiligen Marktes kennen die kleinen und großen lokalen Besonderheiten am besten, die kulturellen Unterschiede und möglichen Fallen, in die expandierende Unternehmen sonst unter Umständen tappen. Daher ist es sinnvoll, einheimisches Personal in die Internationalisierung einzubinden.
Mit welchen Konsequenzen müssen Verantwortungsträger schlimmstenfalls rechnen, wenn sie mit einer Marke den Schritt auf den internationalen Markt nicht richtig planen?
Abgesehen von rechtlichen Konsequenzen aufgrund einer Markenrechtsverletzung ist es wohl das Schlimmste, schlichtweg keine Resonanz und damit keinen Erfolg zu haben. Und das kommt in der Realität tatsächlich häufiger vor, als man denkt.
Im schlechtesten Szenario muss sich das Unternehmen vom Markt zurückziehen – zumindest vorerst. In so einem Fall besteht immer die Option, sich noch einmal neu zu sammeln und einen zweiten Anlauf zu starten. Denn wo eine Firma keine Resonanz auf ihr Angebot bekommen hat, da hat sie keine verbrannte Erde hinterlassen.
Bei welchen Schritten der Internationalisierung sollten Unternehmen externe Experten hinzuziehen?
Zum einen sind die bereits angesprochene Rechtsberatung und eine Finanzberatung wichtige externe Hilfen. Zum anderen stehen gerade Start-ups häufig vor der Herausforderung, dass sie zwar eine tolle Idee und den nötigen Enthusiasmus haben, aber keine Kompetenz für die Markenplanung und -positionierung vorhanden ist. Wo wirbt das Unternehmen? Wie wirbt es? Wie baut es seine Website um seine Marke? Welche Domain wählt es? Bei genau diesen Fragen ist es äußerst ratsam, externe Experten hinzuziehen, damit aus der guten Idee ein Erfolg wird. Vor allem: Eine spannende oder extrem kreative Idee hat nichts mit Markenbildung zu tun. Letztendlich geht es um Vertrauen und die Frage, ob eine Aktion das Potenzial hat, langfristig Wertschätzung zu erzielen oder nach kurzer Zeit verpufft.
Herr Dr. Errichiello, vielen Dank für das Gespräch.
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