Elbphilharmonie

ICANN 78 – Rückblick auf das Meeting in Hamburg

Zum zweiten Mal in ihrer Geschichte traf sich die ICANN-Community in Deutschland, dieses Mal vom 21. bis 26. Oktober 2023 in Hamburg. Die Hansestadt machte ihrem Namen als »Tor zur Welt« alle Ehre: über 1.800 Teilnehmer aus 175 Ländern waren vor Ort, weitere 600 Teilnehmer schalteten sich online zu. Die Bundesregierung war durch Dr. Volker Wissing, Bundesminister für Digitales und Verkehr, vertreten, der sich zum Multistakeholder-Modell der Netzverwaltung durch ICANN bekannte. »Wir brauchen eine internationale Digitalpolitik, die Demokratie, Wohlstand und Widerstandsfähigkeit in unseren digitalen Gesellschaften fördert. Deutschland setzt sich für ein globales, offenes, freies und sicheres Internet ein. Deshalb entwickeln wir derzeit eine Strategie zur Schaffung einer regelbasierten digitalen Ordnung. Dabei bauen wir auf den umfangreichen Informations- und Erfahrungsaustausch mit nationalen und internationalen Interessengruppen wie der ICANN.«, so Wissing.

Die Themen »neue Top-Level-Domains (nTLDs)« und »DNS Abuse« dominierten das Treffen

Inhaltlich dominierten zwei Themen die Tagesordnung: die Einführung neuer generischer Top-Level-Domains (nTLDs) und »DNS Abuse«. Dass die nächste Einführungsrunde kommen wird, steht fest, und das ICANN Board of Directors sorgte in Hamburg für die notwendigen finanziellen Mittel: Es ermächtigte das Team um ICANN-CEO Sally Costerton, bis zu US$ 13 Mio. aus dem »Supplemental Fund for Implementation of Community Recommendations« zu entnehmen, um die Implementierungsarbeit des nTLD-Programms zu finanzieren. Um ein möglichst breites Bewerberfeld sicherzustellen, soll es ein »Applicant Support Program« geben. Im Gespräch sind außerdem Ermäßigungen auf die Bewerbungsgebühren, aber auch die Bereitstellung von Schulungen sowie technische und rechtliche Unterstützung potenzieller Bewerber. Klappt alles wie geplant, nimmt ICANN voraussichtlich im April 2026 Bewerbungen um eine nTLD entgegen; in Stein gemeißelt ist dieses Datum aber auch nach dem Treffen in Hamburg nicht, zumal über die Verabschiedung des Bewerberhandbuchs (Applicant Guidebook) nicht abgestimmt wurde. Konkrete Entscheidungen hierzu sind für das 80. ICANN-Meeting angekündigt, das vom 10. bis 13. Juni 2024 in Kigali, der Hauptstadt Ruandas, stattfinden wird.

Allgegenwärtig war auch das Thema »DNS Abuse«, also der Missbrauch des Domain Name Systems. DNS Abuse stellt eine erhebliche Bedrohung für Unternehmen und Verbraucher dar; er beinhaltet in aller Regel den Missbrauch der Infrastruktur des DNS durch Praktiken wie Phishing, Pharming, Spam und die Verbreitung von Malware, um Straftaten und die Verletzung geistigen Eigentums zu begehen. Domain-Namen stellen dabei häufig die digitale Eingangstür dar, die Nutzer mit den Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens, seiner E-Mail-Kommunikation und dem Gesamterscheinungsbild in Verbindung bringen. 

Markenschutz bei Domain-Registrierungen

Das Internet ist für Unternehmen der zentrale Kanal zu Kunden, Lieferanten und Öffentlichkeit. Wenn Dritte eine Marke im Internet missbrauchen, entstehen gravierende Unternehmensrisiken. Die Missbrauchsmethoden reichen von Phishing-Websites und Phishing-E-Mails bis zu Online-Betrug und Cybersquatting. Für die betroffenen Unternehmen resultieren daraus Reputationsschäden, Vertrauensverlust und entgangene Gewinne.

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Marken schützen

Aktuell und noch bis Dezember 2023 läuft hierzu eine Anhörung zu Änderungen am Registrar Accreditation Agreement (RAA), der Grundlagenvereinbarung zwischen ICANN und den Domain-Registraren. Dort soll folgende Regelung neu aufgenommen werden: »When Registrar has actionable evidence that a Registered Name sponsored by Registrar is being used for DNS Abuse, Registrar must promptly take the appropriate mitigation action(s) that are reasonably necessary to stop, or otherwise disrupt, the Registered Name from being used for DNS Abuse. Action(s) may vary depending on the circumstances, taking into account the cause and severity of the harm from the DNS Abuse and the possibility of associated collateral damage.«

Sollen Registries und Registrare als »Content-Polizei« handeln?

Registrare sollen also künftig unverzüglich Maßnahmen ergreifen, um DNS-Missbrauch einzudämmen; es liegt jedoch in ihrem Ermessen, die geeigneten Maßnahmen auszuwählen und umzusetzen. Eine ähnliche Regelung soll auch in das Base Generic Top-Level-Domain (gTLD) Registry Agreement (Base RA) aufgenommen werden, welches das Rechtsverhältnis zwischen ICANN und den Registries regelt. In Hamburg organisierte das DNS Abuse Standing Committee (DASC) ferner einen Workshop zum Thema »Tools and Measurement«, um DNS Abuse zu erfassen. Das Domain Name System Abuse Institute (DNSAI), die DNS Research Federation und ICANN Domain Abuse Activity Reporting (DAAR) stellten zudem ihre kostenlosen Messtools vor. Die weiteren Diskussionen zum DNS Abuse werden erhebliche Auswirkungen nicht nur für die DNS-Branche selbst haben, sondern auch für die Internet-Governance, da sie ICANN, aber auch die Registries und Registrare in die Rolle einer »Content-Polizei« drängen könnten.

Das nächste ICANN-Treffen findet in Puerto Rico statt

Das nächste öffentliche ICANN-Treffen findet vom 02. bis 07. März 2024 in San Juan (Puerto Rico) statt. Dieses dann bereits 79. Meeting findet als »Community Forum« statt. Im Mittelpunkt steht dort die interne Arbeit der unterstützenden Organisationen und der beratenden Ausschüsse sowie gemeinschaftsübergreifende Interaktion. Zudem werden Sitzungen zu Themen von gemeinschaftsweitem Interesse stattfinden. Wann das nächste ICANN-Treffen in Europa abgehalten wird, ist derzeit noch offen.


Kategorie: Domains, von Florian Hitzelberger