Die Einführung der neuen Top-Level-Domain .web verzögert sich weiter. Warum im Rechtsstreit rund um den Vergabeprozess noch immer kein Ende in Sicht ist, lesen Sie hier.
Rückblick: Die umstrittene Vergabe von .web
Die Historie um die Vergabe und die noch immer nicht erfolgte Einführung der Domain-Endung .web liest sich wie ein Thriller. Bereits im Jahr 2016 erteilte die Vergabestelle ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers) dem damals wenig bekannten amerikanischen Unternehmen Nu Dot Co den Zuschlag für die Rechte an der neuen generischen Top-Level-Domain (gTLD) .web. Mit einem Gebot von 135 Millionen US-Dollar stach Nu Dot Co nicht nur sechs weitere Bieter aus, sondern platzierte das höchste Gebot in der Geschichte der TLD-Vergabe. Inzwischen schreiben wir das Jahr 2022, doch noch immer lässt die Einführung der wertvollen Domain-Endung .web auf sich warten. Der Grund ist ein zäher Rechtsstreit.
Anonyme Geldgeber und eine ungewöhnliche Auktionsform
Schon während der Bewerbungsphase äußerten die Mitbewerber von Nu Dot Co den Verdacht, dass das hohe Gebot über 135 Millionen US-Dollar nur durch einen anonymen Geldgeber möglich sei. Und tatsächlich wurde nach dem Zuschlag bekannt, dass das US-Unternehmen VeriSign als Geldgeber im Hintergrund fungierte. VeriSign ist bereits Inhaber der Rechte an den Domain-Endungen .com und .net und damit definitiv einer der Big Player im Domain-Geschäft. Dies legte den Verdacht nahe, das Nu Dot Co lediglich als Strohfirma für den Erwerb der Rechte in Erscheinung trat. Ebenfalls brisant: Nu Dot Co lehnte als einzige Partei die Durchführung einer sonst üblichen privaten Auktion ab. Bei diesem Verfahren wäre der Erlös der Auktion unter allen Unterlegenen aufgeteilt worden. Stattdessen kam es zu einer sogenannten Auction of last Resort, bei der Nu Dot Co als Gewinnerpartei den Betrag des zweithöchsten Gebots an die ICANN zahlt.
Schiedsverfahren über Verstoß gegen Statuten
Schnell legte Ruby Glen LLC, einer der Mitbewerber und Tochter des Unternehmens Donuts, Einspruch gegen den Entscheid ein. Sogar die Kartellrechtsabteilung des US-Justizministeriums beschäftigte sich mit den Umständen des Vergabeprozesses. Mitbieter Radix und Donuts legten bei der ICANN Beschwerde gegen die Vergabe ein, Donuts versuchte zudem vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen die Auktion der ICANN zu erwirken. Doch sämtliche Maßnahmen blieben erfolglos. 2018 schließlich leitete die unterlegene Bewerberin Afilias Domains No. 3 Limited ein unabhängiges Schiedsverfahren (Independent Review Process, kurz IRP) gegen die ICANN ein. Der Vorwurf: ICANN habe mit der Zulassung der Nu Dot Co zur Auktion gegen die eigenen Statuten verstoßen, da die Verbindung zum Geldgeber VeriSign nicht von Anfang an offengelegt wurde.
Darum ist die Vergabe der Domain-Endung .web bis heute nicht gestartet
ICANN verpflichtete sich im Zuge der Anschuldigungen von allen Handlungen abzusehen, die eine Etablierung der Domain-Endung .web vorantreiben. Die Top-Level-Domain .web ist daher bis heute nicht in der Root Zone eingetragen und es gibt nach wie vor keinen Termin, wann .web Domains, für die Registrare bereits viele Vorbestellungen erhalten haben, tatsächlich registriert werden können. Im Januar 2022 äußerte sich das Direktorium der ICANN endlich zu den Vorwürfen – jedoch mit der enttäuschenden Aussage, dass weitere Untersuchungen notwendig seien. Konkret heißt dies, dass vom Board Accountability Mechanisms Committee (BAMC) eine Überprüfung des IRP-Schiedsverfahrens durchgeführt wird. Erst danach will sich die ICANN wieder äußern. Die beiden Streitparteien Afilias und Nu Dot Co / VeriSign kommunizieren derweil schriftlich über ihre Anwaltskanzleien und wiederholen dabei die bekannten gegenseitigen Vorwürfe mit dem offensichtlichen Ziel, die Entscheidungen des BAMC und der ICANN zum eigenen Vorteil zu beeinflussen.
Wie geht es weiter?
Leider muss konstatiert werden, dass eine baldige Einigung nicht zu erwarten ist. Seit Jahren beschäftigen sich diverse Gremien mit der Thematik und es werden stetig neue Untersuchungen eingeleitet. Zudem hat Afilias bereits signalisiert, nicht nachgeben zu wollen. Es heißt, das Unternehmen sei bereit, gerichtliche Auseinandersetzungen „… in allen verfügbaren Gremien innerhalb und außerhalb der Vereinigten Staaten von Amerika…“ fortzusetzen. Das ist auf der einen Seite nachvollziehbar, weil die Top-Level-Domain .web als extrem wertvoll eingestuft wird. Auf der anderen Seite ist der bereits Jahre andauernde und scheinbar nicht enden wollende Streit für registrierwillige Kunden ein enormes Ärgernis. Eine Prognose, wann die .web-Domains endlich zugeteilt werden, kann nur spekulativ und damit unseriös sein. Doch zumindest in 2022 kann sehr wahrscheinlich nicht mehr damit gerechnet werden.