Vor 15 Jahren wurde united-domains von Florian Huber, Alexander Helm und Markus Eggensperger gegründet. Sie erzählen uns, wie sie die Gründungsphase gemeistert haben, was sie heute bewegt und wie sie Entscheidungen treffen. Und sie geben preis, für welche Pille sie sich entscheiden würden …
Wie kommt man eigentlich auf die Idee, Domains anzubieten?
Florian: Die Wurzeln gehen zurück ins Jahr 1998. Ich habe in meinem Studentenzimmer in Bayreuth angefangen, die ersten Domains bei Strato zu registrieren. Die musste man damals noch wie bei Otto oder Neckermann per Postkarte bestellen. Darunter war auch die Domain liberal.de, die ich einfach auf die SPD-Website weitergeleitet habe. Eine Woche später stand im Focus dann ein Artikel dazu drin. Da hatte ich das Gefühl, dass Domains etwas Spannendes sind und einmal wertvoll sein könnten. Aber ich kann mich auch daran erinnern, dass mir viele Leute gesagt haben: „Ach ja, dieses Internet, werd’ lieber Anwalt oder mach’ was Richtiges! Wer weiß, ob das Internet eine Zukunft hat.“
Alex: In dieser Zeit hat Florian, den ich schon seit der Grundschule in Starnberg kannte, das Blog domain-recht.de gegründet – und das war der Anfang von united-domains. Zum Gründerteam gehörten damals noch Johann Hermann und Nikolai Tiedemann, mit dessen Hilfe wir in nächtlichen Aktionen die erste Version von united-domains.de hochgezogen haben. Dieser Kern, der in nur wenigen Wochen entstanden ist, war dann sechs, sieben Jahre das Fundament unserer Website.
Markus: Florian und ich kannten uns aus dem Studium in Bayreuth. Als er mir damals von seinen ersten Erfahrungen mit der Domain liberal.de erzählte, wurde sehr schnell klar, dass auch mich das Thema mehr interessierte, als jetzt gleich den vorgezeichneten Weg einer juristischen Laufbahn zu gehen. Nach dem Studium war die Zeit günstig, etwas zu wagen. Also stürzten wir uns ins Abenteuer. Das Motto lautete: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Was war die größte Herausforderung in den Gründungsjahren?
Florian: Nach dem Platzen der dotcom-Blase hat keiner mehr in neue Internet-Projekte investiert. Es war schwierig, das Unternehmen aus eigener Kraft zum Break-Even zu führen. Aber durch die erfolgreiche Einführung von .info im September 2001 haben wir keine weitere Finanzierungsrunde benötigt und wurden unabhängig.
Alex: Wir haben damals schon sehr früh in Marketing und PR auf die Einführung der .info-Domain gesetzt und Vorbestellungen angeboten, die damals in dieser Form noch kein anderer Registrar angeboten hatte. Vor allem die Sunrise Period von .info war der Schlüssel zum Wachstum. Das Ganze war als Beratungsprojekt angelegt, wir sind direkt in die Unternehmen gegangen und haben sogar eine Beratungshotline eingerichtet. Dadurch haben wir viele große Unternehmen und Domaininvestoren erreicht. Das bedeutete den Durchbruch.
Markus: Wir standen ganz am Anfang, eigentlich noch vor dem Start, vor zwei sehr großen Herausforderungen. Ursprünglich klammerten wir in unserem ersten Businessplan das Thema Domainregistrierung ausdrücklich und vollständig aus, da wir darin kein hinreichendes Alleinstellungsmerkmal erkannten. Vielmehr sah unser Plan aus, Beratungsdienstleistungen für bereits registrierte Domains zu erbringen. Zum zweiten wollten wir demzufolge auch die Technik nicht inhouse aufbauen. Die Herausforderung war in so einem frühen Anfangsstadium, den Mut zu einem klaren und schnellen Schwenk zu haben.
Wie viel vom Erfolg ist Zufall, wie viel Planung?
Florian: Erfolg ist immer eine Mischung aus Glück, Timing und eigenen Fähigkeiten. Wir haben sicher auch viele Fehler gemacht, aber eben keinen, der uns das Genick gebrochen hat.
Und welche Rolle spielt das Scheitern? Gibt es da auch kulturelle Unterschiede, etwa im Vergleich zu den USA?
Alex: Wir haben bei united-domains eine positive und vor allem authentische Fehlerkultur. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir in den 15 Jahren jemanden entlassen haben, weil er einen spezifischen Fehler gemacht hat. Ich denke, dass hat auch mit dem Temperament der Gründer zu tun: Wir konnten uns von Anfang an so einbringen, wie wir waren, und das gilt auch für unsere Mitarbeiter. united-domains war nie ein lautes Marketing-Unternehmen.
Florian: Die Fehlerkultur ist in den USA natürlich größer als in Deutschland. Wer dort ein paarmal gescheitert ist, bekommt auch noch eine dritte oder vierte Chance, während das Scheitern in Deutschland ein gesellschaftliches Stigma bedeutet. Das hat auch Auswirkungen auf das Gründungsklima: In den USA gibt es diese Alles-oder-Nichts-Gründungen. Nehmen wir Elon Musk, der hat eine Raumfahrtfirma gegründet hat und will mit Tesla der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen … Da werden Milliarden investiert und niemand weiß, ob Tesla jemals profitabel sein wird. In Deutschland herrscht eine historisch gewachsene Mittelstandsstruktur vor und es werden eher Unternehmen gegründet, die zwar im globalen Stil nicht zu den großen Playern werden, dafür aber bei der Gründung ein günstigeres Risikoprofil haben.
Kommen wir zu einem ganz anderen Thema: In welche Epoche der Menschheitsgeschichte würdet Ihr gerne reisen?
Markus: Sehr kniffelige Frage. Vom Ende her gedacht, also der Annahme, dass man von dieser Reise ja wieder in die Gegenwart zurückkehrt, würde man von einem Besuch in der Zukunft wohl betrübt zurückkehren. Entweder weil Vieles besser ist, oder aber weil die Zukunft wenig Positives für uns bereithält. Wer die Zukunft schon kennt, kann sie nicht mehr unvoreingenommen gestalten. Daher würde ich wohl als geschichtlich interessierter Mensch einen Trip in die Vergangenheit wählen, vielleicht ins antike Griechenland, auch wenn so ein Besuch in der nahen Zukunft ein paar strategische Geschäftsentscheidungen sicher leichter machen würde.
Florian: Auf jeden Fall in die Zukunft. Vielleicht eine Generation weiter, um zu sehen, welche Ideen, die es heute schon gibt, auch wirklich erfolgreich werden. Stichwort: Artificial Intelligence, selbstfahrende Autos, Raumfahrt und Internet-of-Things.
Alex: Ich bin eigentlich total zufrieden in der Gegenwart. – Ihr kennt ja den Film Zurück in die Zukunft: In den 80er-Jahren wurden bereits Themen wie autonomes Fahren aufgegriffen, wir haben es nicht ganz bis heute geschafft und nicht alles ist Hoverboard-basiert. Aber in ein paar Jahren, wer weiß ….
Welche Innovationen werden den Alltag der Menschen Eurer Meinung nach verändern?
Florian: Selbstfahrende Autos: Jeder hat ein Auto, das 90 Prozent der Zeit nur herumsteht, Platz verbraucht und Kosten verursacht. In Stadtteilen wie Manhattan sieht man ja, wie der Straßenverkehr kurz vor dem Kollaps steht. Wenn man sich vorstellt, dass es selbstfahrende Elektroautos gäbe, in die man beliebig zusteigen kann, mit einer Abrechnung über die Kreditkarte, wird sofort klar, wie viel mehr Transportleistung man schaffen und wie viele Probleme lösen kann. Dies wird die Mobilität in den Metropolen nachhaltig verändern.
Alex: Für diese Idee wurde bereits vor vielen Jahren ein Startup gegründet. Es nennt sich Taxi. Ansonsten finde ich One-Stop-Shopping interessant, wie bei Amazon. Darauf basiert übrigens unser Domainportfolio, wo man auch fremde Domains hinterlegen kann und zum Login des Drittanbieters geführt wird.
Markus: Ein Durchbruch beim Thema Energieversorgung und -speicherung. Es ist erstaunlich, wie lange hier die Innovationszyklen dauern. Dass wir weltweit immer noch überwiegend ein Feuer anzünden, um Strom zu erzeugen, mutet eigentlich lächerlich an.
Worüber sollten wir uns Sorgen machen?
Florian: Zwei ganz wichtige Themen – gerade für uns als Domain-Registrar – sind Sicherheit und Datenschutz. Das Ausmaß der Überwachung, gerade von öffentlicher Seite hat mich doch überrascht. Auf der anderen Seite wird unsere Sicherheit durch Hacker bedroht, Stichwort Datendiebstahl. Das bremst den Fortschritt im IT-Bereich, weil viele Ressourcen in die Datensicherheit investiert werden. Die Innovationskraft wird dadurch geringer.
Alex: Wir sehen das auch bei united-domains, wo wir täglich angegriffen werden und wir ein ganzes Team benötigen, das sich rund um die Uhr um die Sicherheit unserer Kunden kümmert. Der Aufwand, den wir heute für Sicherheit und Datenschutz betreiben müssen, war vor 15 Jahren in keinem Businessplan einkalkuliert. Das ist ein Aspekt, der für den Kunden häufig gar nicht sichtbar ist.
Markus: Dass die Menschen gerade in Europa mehr und mehr zu vergessen scheinen, wie wichtig und wertvoll das Gut Freiheit in allen Lebensbereichen ist. Es scheint mir ein schleichender aber enorm an Fahrt gewonnener Prozess in Gang gekommen zu sein, der dazu führt, dass viele Menschen Freiheit und Selbstverantwortung allenfalls noch partiell positiv wahrnehmen. Eine solche schiefe Ebene führt aber zu Innovationsskepsis, Technikfeindlichkeit und übertriebener Zukunftsangst. Die fehlende Bereitschaft vieler, sich und den Mitmenschen ein eigenverantwortliches Leben zuzutrauen, bereitet mir daher am meisten Sorgen.
Und was hemmt den Fortschritt am meisten?
Florian: Man hat immer noch mit zu viel Bürokratie und Regulierung zu kämpfen. Mir fällt dazu ein Urteil zu einem Pizza-Lieferservice ein, von dem die Finanzaufsicht eine Banklizenz forderte, weil er die Gelder der Restaurants einsammelte und weiterleitete. Damit läge ein gewerblicher Bankbetrieb vor. Das Taxigewerbe, Stichwort Uber, ist ein anderes Beispiel. Die Regularien wurde vor 50, 60 Jahren geschaffen und legen nun neuen und innovativen Unternehmen Steine in den Weg. Ein anderes Beispiel sind die Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn: Was in der Bauwirtschaft vielleicht sinnvoll ist, um Missbrauch einzuschränken, kann einem Startup das Genick brechen. Die Regeldichte ist in Deutschland eine Innovationsbremse. Wir sollten mehr zulassen und erst später die schlimmsten Auswüchse beseitigen.
Markus: Die Bürokratie fällt ja nicht vom Himmel oder wird von der Politik und der Verwaltung aus eigenem Antrieb verdichtet. Dahinter steht das stetig wachsende Bedürfnis vieler Menschen, in einer komplizierten Welt vom Staat an die Hand genommen, ja teilweise sogar bevormundet und durchs Leben geführt zu werden. Ergebnis ist dann ein dichtes Gestrüpp von Gesetzen und Verwaltungsvorschriften, das allen Sicherheitsbedürfnissen gerecht werden soll, den Menschen und insbesondere den Unternehmen aber die Handlungsspielräume massiv einengt. Wir drehen hier an einer Schraube, die irgendwann festsitzen wird. Wie es anders geht, konnte ich gerade bei einem Urlaub in Südkorea erleben. Nicht zuletzt wird dieses Land auch beim Thema Internet als Prototyp eines entwickelten und innovativen Marktes angesehen.
Könnt Ihr Euch vorstellen, was Eure Enkel über Euch sagen werden?
Florian: (lacht überrascht) Ich glaube, für die Frage hätte ich mich besser vorbereiten müssen … Unsere Enkel werden uns für genauso anachronistisch halten, wie wir heute unsere Großeltern. Meine Großeltern hatten noch nicht einmal ein eigenes Telefon.
Welche Prinzipien leiten Eure Entscheidungen?
Florian: Wir hatten zu diesem Thema ein Entscheidungstraining in einem Flugsimulator bei der Lufthansa. Kein Scherz. Mit einem pensionierten Lufthansa-Ausbilder und Flugkapitän. Gerade im Cockpit müssen ja in schwierigen Situationen schnelle Entscheidungen getroffen werden. Dort wird die FORDEC-Methode verwendet.
[Anmerkung der Redaktion: FORDEC steht für Facts, Options, Risks & Benefits, Decision, Execution, Check/Control:
Facts: Welche Situation liegt vor?
Options: Welche Handlungsoptionen bieten sich an?
Risks & Benefits: Welche Risiken und Nutzen sind mit den jeweiligen Handlungsoptionen verbunden?
Decision: Welche Handlungsoption wird gewählt?
Execution: Ausführung der gewählten Handlungsoption.
Check/Control: Führt der eingeschlagene Weg zum gewünschten Ziel?]
Alex: In den ersten Schritten sind wir sehr gut geworden, schwieriger ist das Check/Control. Wir sind jedenfalls keine Maximizer, die alle Fakten zusammentragen. Der Kosten-Nutzen-Aufwand für vollständige Transparenz ist zu hoch. Wir wollen die Welt nicht komplett verstehen, sondern mit dem vorhandenen Wissen vernünftige Entscheidungen für unsere Kunden treffen. Damit sind wir in den letzten 15 Jahren gut gefahren.
Markus: Die erwähnte FORDEC-Methode beschreibt ja eigentlich nur und strukturiert, wie ein Entscheidungsprozess in vielen Fällen unbewusst abläuft. Sie hilft aber, sich in Drucksituationen auf jeden Fall die nötige Zeit zu nehmen, geordnet die einzelnen Schritte durchzugehen und keine Bauchentscheidung zu treffen. Man sollte sich vergegenwärtigen, dass man diese Zeit eigentlich immer hat, denn FORDEC wird ja gerade auch bei extremem Zeitdruck etwa von Piloten strikt angewendet, selbst und gerade dann, wenn beispielsweise das Triebwerk brennt.
Florian: Zu einer wertungsfreien Aufzählung der Handlungsoptionen gehört übrigens auch, dass man auch mal nichts macht. Wenn also ein aufgeregter Mitarbeiter kommt und sagt, hier muss dringend etwas unternommen werden, sollte man auch in Erwägung ziehen, einfach nichts zu tun.
Gibt es jemanden, der Euch inspiriert hat? Habt Ihr Vorbilder?
Alex: Bis vor einem Jahr wäre es wahrscheinlich der Manager Uli Hoeneß gewesen. Eine andere Konstellation gefällt mir allerdings noch besser: Wir haben vor ein paar Jahren von unseren Mitarbeitern einen Hologrammwürfel mit unseren drei Profilen geschenkt bekommen. Das Bild hat mir sehr gut gefallen, weil es am Ende nicht darum geht, einfach seine Idee durchzuboxen, sondern zu reflektieren und sich zu fragen, wie die anderen beiden das Thema sehen. Diese verschiedenen Blickwinkel auf dasselbe Thema sind das Wesentliche.
Florian: Sicher inspirieren mich immer mal wieder Menschen, aber ein Vorbild habe ich nicht.
Markus: Da gibt es auch bei mir immer wieder verschiedene Menschen. Dazu gehören einige gute Freunde – und nicht zuletzt mein Vater.
Welches Buch würdet Ihr empfehlen?
Markus: Zorn und Zeit von Peter Sloterdijk. Das ist zwar einigermaßen schwer zu lesen, brachte aber für mich einige sehr spannende Erkenntnisse. Die Grundskepsis von Sloterdijk sowie den daraus abgeleiteten Zukunftspessismismus teile ich zwar ganz und gar nicht, aber als Beschreibung vieler vergangener Begebenheiten und als Mahnung, heute bei der Gestaltung von Zukunft die in dem Buch aufgezeigten Mechanismen zu beachten – dafür halte ich es sehr wertvoll.
Florian: The Hard Thing About Hard Things von Ben Horowitz finde ich besonders spannend. Auch weil es sich von den klassischen Management-Büchern unterscheidet und ich mich in einigen Situationen gut identifizieren konnte.
Alex: Siddhartha von Hermann Hesse hat mir gut gefallen.
Florian: (lacht) Das habe ich das letzte Mal in der Schule gelesen.
Ihr kennt ja alle den Film Matrix: Welche Pille würdet Ihr nehmen? Die rote oder die blaue Pille? Blau steht für das bekannte und gewohnte Leben, Rot für die unverfälschte Wahrheit.
Markus: Die Rote … obwohl ich Pillen ausschließlich bei Krankheit nehme.
Florian: Ich würde die rote Pille nehmen, weil für mich einige Entwicklungen noch immer eine Black Box sind. Beispiel: Die Funktionsweise des weltweiten Finanz- und Geldsystems. Das exponentielle Wachstum der Geldmenge gegenüber dem nicht-exponentiellen Wachstum der Gütermenge kann wahrscheinlich nicht ewig so weitergehen. Hier würde ich mir die rote Pille wünschen, wenn es überhaupt so etwas wie Wahrheit oder Realität gibt.
Alex: Die Blaue natürlich!
Die Blaue? Wirklich?
Alex: Auf jeden Fall. Die Wahrheit kenn’ ich ohnehin …
Das Interview führten Manuel Schölles und Sebastian Ritze.